REDs – Update zum relativen Energiedefizit im Sport

Das Relative Energiedefizit im Sport (REDs) ist ein komplexes Syndrom, das Athletinnen und Athleten unabhängig von Geschlecht oder Disziplin betrifft. Ausgelöst durch eine zu geringe Energieverfügbarkeit umfasst REDs eine Vielzahl beeinträchtigter physiologischer und psychologischer Funktionen. Erstmals im Jahr 2014 beschrieben, hat sich unser Verständnis von REDs durch Updates in den Jahren 2018 und zuletzt 2023 stetig weiterentwickelt.

Das Jahr 2023 kennzeichnet einen entscheidenden Moment in der Wahrnehmung und Behandlung des REDs. In diesem Jahr hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) ein neues Konsensus-Statement veröffentlicht. Dieses fasst nicht nur die aktuellsten Forschungsergebnisse zusammen, sondern führt auch neue Modelle und Definitionen ein. Diese aktualisierten Erkenntnisse stammen von führenden Experten auf dem Gebiet des REDs. Das REDs weist in verschiedenen Sportarten eine Prävalenz auf, die zwischen 15% und 80% variiert.

In diesem Blogpost tauchen wir in die Details des Konsensus-Statements von Mountjoy et al. (2023) ein. Wir diskutieren die veränderte Rolle von Kohlenhydraten, die überarbeitete Definition des REDs und die spezifischen Konsequenzen einer zu geringen Energieverfügbarkeit. Ebenso werden wir den Einfluss von REDs auf die Leistung und Gesundheit von Athletinnen und Athleten beleuchten. Grundlage dafür sind die neuesten Modellen für Leistung (Performance Conceptual Model) und Gesundheit (Health Conceptual Model).

Eine Athletin liegt auf einer Tartar Bahn und verzieht aus Schmerzen ihr Gesicht. Ihr Bein wird von einer anderen Person hochgelagert.
Bei einem REDs steigt das Verletzungsrisiko, wie auch das Risiko für Knochenverletzungen an.

Übersicht zu den Neuerungen zum REDs 2023

Folgende Neuerungen gab es im Update 2023, auf welche wir in diesem Blogpost näher eingehen werden:

  • Neue Definition REDs
  • Neue Unterteilung von LEA
  • Vorstellung des Clinical Assessment Tools
  • Einführung des Risk Assessment Tools
  • Neue Richtlinien für die Messung der Körperzusammensetzung
  • Die Bedeutung von Kohlenhydratverfügbarkeit und LEA

Definition von REDs und LEA

REDs – Relatives Energiedefizit im Sport

„A syndrome of impaired physiological and/or psychological functioning experienced by female and male athletes that is caused by exposure to problematic (prolonged and/or severe) LEA. The detrimental outcomes include but are not limited to decreases in energy metabolism, reproductive function, musculoskeletal health, immunity, glycogen synthesis, and cardiovascular and haematological health which can all individually and synergistically lead to impaired well-being, increased injury risk, and decreased sports performance.“​

REDs ist ein Syndrom, das sowohl physiologische als auch psychologische Funktionen beeinträchtigt. Es tritt bei Sportlerinnen und Sportlern auf und wird durch anhaltende oder schwere niedrige Energieverfügbarkeit (LEA) verursacht. Das heisst, dass dem Körper im Vergleich zum Energieverbrauch durch körperliche Aktivität, nicht genügend Energie zur Verfügung steht.

Die Folgen von REDs können vielfältig sein: von Problemen im Energiestoffwechsel über Beeinträchtigungen der Reproduktionsfunktion und der Muskel- und Skelettgesundheit bis hin zu einem reduzierten Immunsystem und einer verminderten Herz-Kreislauf-Gesundheit. Diese Faktoren wirken zusammen und können das Wohlbefinden beeinträchtigen, das Verletzungsrisiko erhöhen und die sportliche Leistung mindern.

LEA – Low Energy Availability

Eine LEA (low energy availability) entsteht, wenn die Energieaufnahme eines Athleten durch die Ernährung nicht ausreicht, um den Energieverbrauch beim Training auszugleichen. Dies führt zu einem Zustand, in dem der Körper nicht genug Energie hat, um wichtige Funktionen aufrechtzuerhalten. Dies kann wiederum die Gesundheit und Leistungsfähigkeit beeinträchtigen.

Forscher betrachten die LEA als ein Spektrum. Auf diesem Spektrum existieren Situationen, in denen die Auswirkungen eher harmlos sind, bekannt als kurzfristige LEA. Im Gegensatz dazu stehen Fälle, in denen ernsthafte und möglicherweise langanhaltende Beeinträchtigungen der Gesundheit und Leistungsfähigkeit auftreten. Dies sind die „problematischen“ LEA-Szenarien.

LEA kann in diese zwei Hauptkategorien eingeteilt werden, wobei insbesondere die problematische LEA für die Entstehung von REDs verantwortlich ist.

Kurzfristige LEA

Diese Form der LEA ist gekennzeichnet durch harmlose Auswirkungen, wie leichte und schnell reversible Veränderungen in Biomarkern. Das bedeutet, der Körper passt sich an die verringerte Energieverfügbarkeit an, ohne langfristigen Schaden zu nehmen. In einigen Fällen kann diese Anpassung sogar kurzfristige Vorteile bringen, wie eine erhöhte VO2max.  

Aufgrund der zu Beginn möglichen positiven Effekte ist es oft schwierig Athlet:innen zu überzeugen, dass sie das Problem genug früh erkennen. Oft kommen sie erst in Beratung, wenn sie bereits zahlreiche negative Effekte spüren und die Leistung oder Gesundheit massgeblich darunter leiden.

Problematische LEA

Die problematische LEA führt zu grösseren und möglicherweise anhaltenden Störungen in verschiedenen Körpersystemen, oft mit deutlichen Anzeichen oder Symptomen. Die Auswirkungen einer problematischen LEA können je nach Person und Umständen variieren. zudem können sie durch verschiedene Faktoren wie Alter, Genetik und Geschlecht beeinflusst werden. Langfristig kann eine problematische LEA zu REDs führen, was wiederum die Gesundheit und Leistungsfähigkeit eines Athleten ernsthaft beeinträchtigt. Ab wann eine LEA problematisch wird kann aktuell noch nicht gesagt werden.

REDs: Folgen auf Gesundheit und Leistung

Der Einfluss des REDs auf Athletinnen und Athleten ist weitreichend und beeinflusst sowohl ihre Gesundheit als auch ihre Leistung. Um diesen Zusammenhang besser zu verstehen, hilft uns das „REDs Health Conceptual Model“, das von Mountjoy et al. (2023) entworfen wurde. Dieses Modell bietet eine visuelle Darstellung der vielfältigen Konsequenzen einer niedrigen Energieverfügbarkeit.

Das REDs Health Conceptual Model

Wenn wir die gesundheitlichen Auswirkungen von REDs betrachten, bietet das Helath Conceptual Model einen ganzheitlichen Blick auf die vielschichtigen Auswirkungen von REDs. Es zeigt auf, dass REDs ein komplexes Konzept ist, das den Körper auf systemischer Ebene betrifft.

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Das Modell bildet ein Spektrum an Störungen ab, die durch REDs hervorgerufen werden können, beginnend bei der zentralen Ursache – der niedrigen Energieverfügbarkeit. Von dort aus strahlen die potenziellen negativen Auswirkungen auf verschiedene Körperfunktionen aus.

Zu den betroffenen Bereichen gehören beispielsweise:

  • Fortpflanzungsfunktion: Bei Frauen kann es zu Menstruationsunregelmässigkeiten kommen, während Männer einen Rückgang der Testosteronproduktion erleben können.
  • Muskel- und Skelettgesundheit: REDs kann eine Schwächung der Muskelkraft und eine reduzierte Knochengesundheit mit erhöhtem Risiko für Stressfrakturen und Ermüdungsbrüche zur Folge haben.
  • Immunfunktion: Eine beeinträchtigte Energieverfügbarkeit kann das Immunsystem schwächen, was zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen führt.
  • Mentale Gesundheit: REDs kann die mentale Gesundheit beeinträchtigen, zu Stimmungsschwankungen führen und das Risiko für Essstörungen erhöhen.

Leichte und vorübergehende Fälle von LEA, die als anpassungsfähig bezeichnet werden, werden im Modell durch den weissen Bereich der Pfeile repräsentiert. Im Gegensatz dazu stehen die roten Bereiche der Pfeile, die auf schwerwiegende und möglicherweise langfristige Auswirkungen von problematischer LEA hinweisen, die zu REDs führen.

Wichtig ist hier zu erwähnen, dass bei der mentalen Gesundheit als einziges der Pfeil in beide Richtungen geht. Sie soll festhalten, dass eine beeinträchtigte mentale Gesundheit sowohl Folge als auch Ursache einer LEA sein kann.

Im Health Conceptual Model werden aktuell 14 mögliche Symptome aufgelistet. Da das REDs ein komplexes Mosaik aus Anzeichen und Symptomen ist, ist es wichtig, dass Differentialdiagnosen ausgeschlossen werden. Auch dazu ist im neuen Paper eine hilfreiche Liste erstellt worden.

Das REDs Performance Conceptual Model

Während beim Helath Conceptual Model die Folgen des REDs auf die Gesundheit dargestellt werden konzentriert sich das REDs Performance Conceptual Model auf die Auswirkungen von REDs auf die sportliche Leistungsfähigkeit.

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Clinical Assessment Tool & Risk Assessment Tool

Als letztes neues Tool wurde das Clinical Assessment Tool und Risk Assessment Tool eingeführt. Dieses soll helfen Athlet:innen in Bezug auf das REDs zu screenen und helfen eine Schweregrad und Risikoeinschätzung zu machen. Durch das Tool können REDs Diagnosen einfacher gestellt werden und gleichzeitig werden konkrete Empfehlungen zur Behandlung gegeben. Schauen wir uns das Tool etwas genauer an.

Das Clinical Assessment Tool (IOC REDs CAT2) implementiert einen dreistufigen Prozess, bestehend aus einer Erstuntersuchung, einer Schweregrad-/Risikostratifizierung und einer abschliessenden, von einem Arzt geleiteten Diagnose und Behandlungsplanung. Für diesen Prozess wurde eine Exceltabelle entwickelt, bei welcher REDs spezifischer Parameter wie z.B. Periode, Schilddrüsenwerte, Cholesterinwert, Knochenbrüche/Stressfrakturen erhoben werden. Abhängig davon, wie viele Punkte mit ja beantwortet werden können, wird eine Einteilung nach dem unten aufgeführten Ampelsystem angegeben. Das vierstufige Ampel-System zeigt den Schweregrad/Risikofaktor des REDs an.

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Jede Farbe des Ampelsystems repräsentiert einen spezifischen Zustand der Energieverfügbarkeit und gibt damit verbundene Empfehlungen zur Sportteilnahme. Dies ermöglicht eine individuell angepasste Beratung und Betreuung, abhängig vom festgestellten Risikoniveau. Bei einem roten Wert ist beispielsweise eine sofortige Behandlung  mit engem Monitoring und signifikanten Trainingseinschränkungen respektive Sportstop empfohlen.

Der letzte Schritt, die abschliessende Diagnose und Behandlungsplanung, wird von einem Arzt oder einer Ärztin geleitet und in Zusammenarbeit mit den Athlet:innen, den Trainern und dem gesamten Gesundheits- und Leistungsteam entwickelt. Dieser Schritt zielt darauf ab, einen umfassenden und individuellen Behandlungsplan zu erstellen, der sowohl die kurz- als auch langfristige Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Athlet:innen unterstützt.

Mit der Einführung des REDs CAT2 bietet das IOC ein entscheidendes Werkzeug für medizinische Fachkräfte, um REDs frühzeitig und genau zu diagnostizieren und eine angemessene klinische Schweregrad- und Risikobewertung durchzuführen. Dieses Tool unterstreicht das Engagement für die Gesundheit und Sicherheit von Athletinnen und Athleten und fördert eine Kultur der Prävention und des Schutzes im Sport.

Weitere Empfehlungen aus dem Update

Neben den bereits angesprochenen Punkten wurden auch zu weiteren Bereichen Empfehlungen abgegeben.

Messung der Körperzusammensetzung

Das neueste Update setzt einen wichtigen Schwerpunkt auf die Körperzusammensetzung, insbesondere im Jugendalter. Es wird empfohlen, Messungen der Körperzusammensetzung bei unter 18-Jährigen nur mit klar definierten medizinischen Zielen und unter Zustimmung der Eltern durchzuführen. Diese Empfehlung spiegelt die Bedeutung wider, die der Entwicklung einer gesunden Beziehung zum eigenen Körper und der Vermeidung von Essstörungen beigemessen wird.

LCA – Low Carbohydrate Availability

Neben der LEA wird auch eine LCA (tiefe Kohlenhydratverfügbarkeit) als Einflussfaktor auf REDs Symptome gehandelt. Zu wenig Kohlenhydrate könnten auch unabhängig von der Energiezufuhr zum Auftreten von REDs Symptomen führen. Die LCA ist zumindest assoziiert mit einem reduzierten Immunsystem, verminderter Knochengesundheit und einen Einfluss auf Eisenbiomarker. Inwieweit solche Effekte von der Energieaufnahme zu trennen sind, bleibt im Detail zu erforschen.

Die neuesten Forschungen von 2023, insbesondere die Arbeiten von Experten wie Professor Hackney und Dr. Nickey Keay, heben die kritische Rolle von Kohlenhydraten im Kontext von REDs und LEA hervor.

Diese Studien verdeutlichen, dass eine ausreichende Zufuhr von Kohlenhydraten nicht nur entscheidend für die hormonelle Balance, insbesondere für die Aufrechterhaltung von Progesteron und Östrogen ist, sondern auch wesentlich zur Regulierung des Menstruationszyklus und zur Förderung der Knochengesundheit beiträgt. Zudem zeigen sie, dass eine geringe Kohlenhydrataufnahme (LCA) mit einem erhöhten Risiko für Krankheiten und Verletzungen verbunden sein kann, indem sie die immunologischen und hämatologischen Funktionen negativ beeinflusst.

Diese Empfehlungen unterstreichen die Notwendigkeit einer ausgewogenen Ernährung mit ausreichend Kohlenhydraten und eines verantwortungsbewussten Umgangs mit Körperzusammensetzung, um die Gesundheit und Leistung von Athlet:innen zu optimieren. Sie betonen die Bedeutung der Aufklärung über Nährstoffbedarf und die Risiken einer unzureichenden Energieversorgung, die zu REDs führen können.

Schlussfolgerung/Fazit

Die neuesten Erkenntnisse zum relativen Energiemangel im Sport (REDs), wie sie im Konsensus-Statement von Mountjoy et al., 2023 dargelegt werden, unterstreichen die Komplexität und die weitreichenden Auswirkungen, die dieses Syndrom auf Athletinnen und Athleten haben kann. Das verbesserte Verständnis der unterschiedlichen Ausprägungen von niedriger Energieverfügbarkeit (LEA) und deren Einfluss auf die Gesundheit und Leistung eröffnet neue Wege für Prävention, Diagnose und Behandlung.

Die Weiterentwicklung des REDs Health Conceptual Model und die Einführung des REDs Performance Conceptual Model bieten ein differenzierteres Bild der vielschichtigen Auswirkungen von LEA. Die neuen Modelle sind eine Aufforderung an Forscher, Kliniker und das Sportumfeld, sich mit den subtilen Nuancen von REDs auseinanderzusetzen und individualisierte Ansätze für das Wohl der Sportler zu entwickeln.

Die Studie macht deutlich, dass eine interdisziplinäre Herangehensweise unabdingbar ist, um den Herausforderungen, die REDs mit sich bringt, effektiv zu begegnen. Mit einer stärkeren Fokussierung auf ganzheitliche Gesundheit und präventive Massnahmen können wir hoffentlich dazu beitragen, die Zukunft des Sports sicherer und gesünder zu gestalten.

Hast du selbst das Gefühl, dass bei dir ein REDs vorliegt oder möchtest du präventiv deine Ernährung optimieren? Gerne unterstütze ich dich dabei deine optimale Ernährungsstrategie zu finden, die sowohl Leistung als auch Gesundheit ermöglicht. Melde dich bei Interesse für eine Beratung. Zudem bin ich als Mitglied des Athletes Health Network mit Ärztinnen und anderen Fachpersonen im Austausch, damit du auch von ärztlicher oder psychologischer Seite her optimal begleitet wirst.

Quellen

Um den Lesefluss nicht zu reduzieren sind alle Quellen am Ende aufgelistet. Bei Fragen zur Quelle einzelner Sätze könnt ihr euch gerne direkt an mich wenden.

Mountjoy, M., Ackerman, K., Bailey, D., Burke, L., Constantini, N., Hackney, A., … & Erdener, U. (2023). 2023 International Olympic Committee’s (IOC) consensus statement on Relative Energy Deficiency in Sport (REDs). British journal of sports medicine, 57(17).
Lodge, M. T., Ward-Ritacco, C. L., & Melanson, K. J. (2023). Considerations of Low Carbohydrate Availability (LCA) to Relative Energy Deficiency in Sport (RED-S) in Female Endurance Athletes: A Narrative Review. Nutrients, 15(20), 4457.
Stellingwerff, T., Mountjoy, M., McCluskey, W. T., Ackerman, K. E., Verhagen, E., & Heikura, I. A. (2023). Review of the scientific rationale, development and validation of the International Olympic Committee Relative Energy Deficiency in Sport Clinical Assessment Tool: V. 2 (IOC REDs CAT2)—by a subgroup of the IOC consensus on REDs. British Journal of Sports Medicine, 57(17), 1109-1118.

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