„Ich esse fast nichts aber nehme trotzdem nicht ab.“ „Einladungen zum Essen vermeide ich, weil ich dann essen muss was serviert wird.“ „Ich liebe Schokolade, verzichte aber aus Angst vor einer Gewichtszunahme darauf.“ Kommt dir einer dieser Sätze bekannt vor? In diesem Blogpost möchte ich dir aufzeigen, welche Auswirkungen Diäten auf unsere Gesundheit haben können und weshalb sie so oft scheitern.
Eindrücke aus meinem Berufsalltag
Das Thema Gewichtsreduktion ist während meiner Tätigkeit als Ernährungsberaterin ein ständiger Begleiter. Das Ausmass, die auffällig eiserne Disziplin und die Verbissenheit mit welcher sich Patienten*innen einschränken, um ihr Traumgewicht zu erreichen, trifft und betrübt mich immer aufs Neue. Teilweise essen sie kaum mehr etwas und berichten über andauernde Hunger- und Schuldgefühle, wenn sie etwas “Schlechtes” gegessen haben. Sie sind müde und frustriert, kämpfen mit Leistungstiefs und Stimmungsschwankungen. Manchmal opfern sie sogar soziale Kontakte und ziehen sich zurück. Viele meiner Patienten*innen kommen mit einer langen Vorgeschichte an Diäten in die Beratung und suchen verzweifelt nach einem Weg, endlich das gewünschte Gewicht zu erreichen. Wenn Menschen Angst haben zu essen, weil sie zunehmen könnten, kann dies zu einem kritischen mentalen Zustand führen, welcher den ganzen Alltag beherrscht. Das Vertrauen in den eigenen Körper schwindet und es entsteht das Gefühl vom eigenen Körper betrogen zu werden. Ich begleite meine Patient*innen dabei diesen Zustand Schritt für Schritt zu verlassen und dem Körper das Vertrauen wiederzugeben um funktionieren zu dürfen.
Trügerische Diäten
Das trügerische an restriktiven Diäten ist, dass sie zu Beginn funktionieren. Wir nehmen erfolgreich ein paar Kilos ab, sind stolz auf uns und erhalten Komplimente. Irgendwann werden die Einschränkungen jedoch zu stark und das Verlangen nach den vermiedenen Nahrungsmitteln gewinnt überhand. Das Gewicht kann sich schlussendlich auch bei gleichbleibenden Gewohnheiten nach und nach wieder erhöhen. Oft wiegen wir am Ende einer Diät sogar mehr als zu Beginn. Dass wir das Gewicht nach einer “erfolgreichen” Gewichtsreduktion wieder zunehmen, liegt jedoch nicht an unserer mangelnden Selbstdisziplin, sondern an den fehlerhaften Diäten. Wenn wir den Erfolg einer Diät an ihrer langfristigen Wirkung messen, sehen wir nämlich, dass diese nicht das halten, was sie versprechen.
Nehmen wir durch Diäten wirklich ab?
Nach einer gescheiterten Diät denken wir meist, wir waren nicht gut genug, wir haben die Regeln zu wenig konsequent umgesetzt oder uns parallel dazu, zu wenig bewegt. Wir hinterfragen so gut wie nie die Diät an sich. Dabei zeigen wissenschaftliche Erhebungen, dass eine Gewichtsreduktion selten langfristig anhält. Tatsächlich gibt es zahlreiche Studien, die aufzeigen, dass das Gewicht von regelmässig Diät haltenden Personen im Schnitt sogar höher ist als das Gewicht von Personen, welche keine Diäten gemacht haben.
Ein gutes Beispiel dafür ist eine Studie, welche Teilnehmer*innen der Sendung “The Biggest Loser” sechs Jahre nach der Sendung untersucht hat. The Biggest Loser ist ein Wettbewerb, bei welchem stark übergewichtige Personen möglichst viel abnehmen, um am Ende ein Preisgeld zu gewinnen. Von den 14 untersuchten Teilnehmer*innen haben alle bis auf eine Person einen Teil des verlorenen Gewichts wiedererlangt und fünf Probanden wogen wieder gleich viel oder mehr als zuvor.
Gesundheitliche Aspekte von Diäten
Wir leben in einer Gesellschaft, in der ein tiefes Gewicht mit einer besseren Gesundheit assoziiert wird. Dies ist jedoch nicht pauschal der Fall, da unsere Gesundheit von einer Vielzahl anderer Faktoren abhängt. Die Definition von Gesundheit nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) lautet wie folgt: „Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“
Mit rigiden Diät nehmen wir unserem Körper die Grundlage, um optimal funktionieren zu können. Denn meist werden bei Diäten gewisse Lebensmittel verboten oder eine Empfehlung, diese möglichst wenig zu konsumieren, ausgesprochen. Auch die Energiezufuhr ist neben der eingeschränkten Nahrungsmittelauswahl oft viel zu tief. Weiter tragen Diäten zur Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper bei, sie treiben uns zur ständigen Auseinandersetzung mit Essen und dem eigenen Körper, zu Heisshungerattacken, zur Ablenkung von anderen persönlichen Gesundheitszielen, zu einem verminderten Selbstwertgefühl und zur Stigmatisierung und Diskriminierung des Gewichts.
Was geschieht, wenn wir zu wenig essen?
Bei einer langfristig zu tiefen Energiezufuhr wird unserem Körper signalisiert, dass er sich in einer Hungerperiode befindet. Dadurch leitet er Mechanismen ein, um das Überleben zu sichern. Unser Körper kann dabei nicht wissen, dass wir diese Kalorienrestriktion bewusst vornehmen, um abzunehmen. Eine dieser Überlebensmechanismen ist der, dass der Körper den Energieverbrauch (Grundumsatz) reduziert. Dies konnte bei der Studie mit den “Biggest Loser” Teilnehmer*innen eindrücklich gezeigt werden. Nach den sechs Jahren nach dem Wettkampf war der Grundumsatz der Teilnehmenden um durchschnittlich 500 kcal reduziert, verglichen mit dem Start der Sendung. Noch viel eindrücklicher ist diese Zahl vor dem Hintergrund, dass die Teilnehmenden ihr Gewicht wieder erhöht hatten. Der Energieverbrauch blieb aber trotz dem höheren Gewicht tiefer.
Als weiteren Schutzmechanismus baut unser Körper unsere eigenen Muskeln ab. Das liegt daran, dass die Energiegewinnung als so wichtig gewertet wird, dass der Körper seine eigenen Muskeln abbaut, um sie als Energie zu verwerten. Bildlich gesprochen wäre das so, als ob man finanziell so arm wäre, als dass man sich die Heizungsrechnung nicht leisten kann (oder kein Holz für ein Feuer kaufen kann), also verbrennt man seine Küchenschränke, um sich zu wärmen. Die „Biggest Loser“-Studie hat diesen Effekt ebenfalls gezeigt. Die Teilnehmer hatten zu Beginn des Wettbewerbs mehr fettfreie Körpermasse als sechs Jahre später. Auch hatten die Teilnehmenden tiefere Werte an Leptin im Körper, einem Hormon, welches das Sättigungsgefühl auslöst. Mit jeder Diät passt sich unser Körper an und lernt zu überleben, was es noch schwieriger macht, langfristig Gewicht zu verlieren. Studien konnten zeigen, dass jeder gescheiterte Abnehmversuch zu einer geringeren Selbstwirksamkeit und einem geringen Selbstwertgefühl führt. Mit strengen Diäten stressen wir unseren Körper somit nicht nur physisch, sondern auch psychisch.
Fazit
Ich möchte mit diesem Artikel nicht sagen, dass es nicht möglich ist Gewicht zu verlieren. Aber ich möchte dich dazu anregen, deine aktuelle Ernährung zu reflektieren. Regelmässige Schwindelanfälle, Konzentrationsschwierigkeiten und vor allem ständige Hungergefühle sind nicht normal und sollten abgeklärt werden. Zudem bin ich überzeugt, dass wir uns mehr auf unsere Gesundheit und Leistungsfähigkeit konzentrieren können, wenn der Fokus weniger auf dem Gewicht liegt. Gerne unterstütze ich dich auch persönlich auf diesem Weg. Hier findest du alle meine aktuellen Angebote.
Quellen
Um den Lesefluss nicht zu reduzieren sind alle Quellen am Ende aufgelistet. Bei Fragen zur Quelle einzelner Sätze könnt ihr euch gerne direkt an mich wenden.
WHO: Verfassung der Weltgesundheitsorganisation. https://fedlex.data.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/cc/1948/1015_1002_976/20200706/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-cc-1948-1015_1002_976-20200706-de-pdf-a.pdf abgerufen am 26.01.2021
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